Mediziner, Serologe, Pharmakologe
* 14. März 1854 in Strehlen
† 20. August 1915 in Bad Homburg v.d. Höhe
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Paul Ehrlich gilt als der Begründer der Experimentellen Medizin und der modernen Chemotherapie. Er war ein außerordentlich vielseitiger Forscher. Obwohl sein wichtigstes Wirkungsfeld die Medizin war, berührten viele seiner experimentellen Beiträge auch Randgebiete der biomedizinischen Forschung, unter ihnen die Physiologie und Biochemie. Zu Ehrlichs wichtigsten Leistungen gehört die Verfeinerung und Weiterentwicklung der Färbemethoden und ihre Anwendung bei der Untersuchung physiologischer Probleme. "Ehrlich-Bläschenkatheter","Ehrlich-Diazoreagens", "Ehrlich-Fingerversuch", "Ehrlich-Reagens", "Ehrlich-Reaktion", "Ehrlich-Seitenkettentheorie", "Ehrlich-Tumor", "Ehrlich-Zelle" und das "Salvarsan" sind untrennbar mit seinem Namen verbunden.
Das Präparat "606" ("Salvarsan") war das erste wirksame Chemotherapeutikum, und es brachte Paul Ehrlich internationale Anerkennung. Er hatte es im Jahre 1907 in Frankfurt/ Main bei Tausenden von Versuchen entdeckt. Mit seiner 0,3 Gramm leichten "magischen Kugel" gegen die "Weiße Pest", der Syphilis, gab er Hunderttausenden Lebensglück und Gesundheit wieder. 1909 stellte die Firma Hoechst im Auftrag Ehrlichs das Dioxydiamidoarsenobenzol ("606"), ein wirksames Arsenpräparat, das eine möglichst geringe Giftwirkung haben sollte, erstmals fabriktechnisch her. Der japanische Bakteriologe Sahatschiro Hata (1873-1938), Mitarbeiter von Ehrlich, erprobte das Präparat zunächst gegen Rückfallfieber bei Tieren und dann erstmals im Juni 1909 an einem Kaninchen, dessen Hornhaut mit Syphilis infiziert wurde. Die Ergebnisse der Versuchsreihen veröffentlichten Ehrlich und Hata 1910 in der Schrift "Die experimentelle Chemotherapie der Spirillosen (Syphilis, Rückfallfieber, Hühnerspirillose, Frambiöse)". Das ab dem Sommer 1910 unter dem Namen "Salvarsan" (lat. salvo = heilen und Arsen) von Hoechst nun in Großproduktion hergestellte Mittel war wesentlich wirkungsvoller und weniger giftig als das bis dahin verwendete Quecksilber und wurde erst in den 1940er Jahren durch das Antibiotikum "Penicillin", das von Alexander Fleming entdeckt wurde, verdrängt.
Nicht für das "Salvarsan", wohl aber für seine grundlegenden Arbeiten zur Entwicklung und den Ausbau des "speziellen Standardprinzips" in der Immunologie erhielt Paul Ehrlich im Jahre 1908, zusammen mit dem russischen Biologen Ilja Iljitsch Metschnikow (1845-1916) vom Pasteur-Institut in Paris "als Anerkennung ihrer Arbeiten über die Immunität" den Nobelpreis für Medizin und Physiologie.
Paul Ehrlich, Sohn eines wohlhabenden und gebildeten Likörfabrikanten und Lotterieeinnehmers, besuchte in Breslau das Gymnasium. Seine Freizeit verbrachte er oft im Hause seines Vetters, Carl Weigert (1845-1904), der das zukünftige Leben des Jungen nachhaltig beeinflusste. Weigert war Pathologe an der Universität Breslau (später in Frankfurt/Main), Chemiker und Experte auf dem Gebiet der Färbemethoden, insbesondere mit Anilinfarbstoffen. Als Ehrlich einen Beruf wählen musste, entschloss er sich, Medizin zu studieren. Seine wirkliche Leidenschaft war jedoch die Chemie, und er dachte nie daran, praktizierender Arzt zu werden, sondern wollte vielmehr in die Forschung gehen.
Paul Ehrlich studierte zunächst an der Universität Straßburg bei dem Chemiker Adolf von Baeyer (1835-1917), der Ehrlichs Begeisterung für Chemie förderte, und wo er mit Untersuchungen über die Färbung physiologischer Präparate begann. In diese Zeit fiel auch seine Entdeckung der Mastzellen im Bindewebe. Danach kehrte Ehrlich nach Breslau zurück und setzte seine Arbeiten in den Instituten des Physiologen Rudolf Heidenheim (1834-1897) und des Pathologen Julius C ohnheim (1839-1884) fort. Nach seiner Promotion zum Dr. med. in Leipzig im Jahre 1878 ging Ehrlich nach Berlin und arbeitete neun Jahre lang als Assistent und Oberarzt in der Klinik des Internisten und Pathologen Theodor von Frerich (1819-1885) an der Charité. Dieser hatte naturwissenschaftliche Untersuchungsmethoden in die Kliniken eingeführt, und förderte die Experimente Ehrlichs, die sich zu dieser Zeit auf Fragen der Hämatologie befassten. Hier begründete Ehrlich die quantitative Analyse des "Blutbildes" unter dem Mikroskop mittels Vitalfärbung (Färbung unter Erhaltung der Zellaktivität). Dazu verwendete er die von ihm schon 1877 entwickelte Methode der Triacidfärbung. 1882 gelang ihm der Nachweis der Säurefestigkeit des Tuberkelbazillus, zu dessen Darstellung er saure, basische und neutrale Aniline zur Vitalfärbung einsetzte.
Im Jahre 1883 heiratete Paul Ehrlich die Industriellentochter Hedwig Pinkus, mit der er zwei Töchter hatte. Ihr Vater unterstützte ihn großzügig finanziell, so dass es Ehrlich möglich war, eine Zeit ausschließlich der Forschung zu widmen. Durch seine Freundschaft mit den Bakteriologen Robert Koch (1843-1910) und Emil von Behring (1854-1917) richtete sich Ehrlichs Interesse zunehmend auf die Erforschung der Immunität, das heißt, der angeborenen oder erworbenen Unempfänglichkeit des Organismus gegen Erreger von Infektionskrankheiten und ihre Gifte. Dabei entdeckte er 1883 die Diazoreaktion, eine chemische Reaktion zum Nachweis von Diazokörpern im Harn bei bestimmten Infektionskrankheiten. 1884 erhielt Ehrlich infolge seiner Erfolge bei der Vitalfärbung an der Berliner Charité eine Professur. 1885 fasste er seien Beobachtungen in der Monographie "Das Sauerstoff-Bedürfnis des Organismus, eine farbenalaytische Studie" zusammen. 1887 habilitierte sich Ehrlich in Berlin im Fach Innere Medizin. Nach einer Tuberkelinfektion, die er sich bei Laborarbeiten zugezogen hatte, ging er 1888 für einige Monate nach Ägypten, kehrte 1889 nach Berlin zurück, und richtete sich hier ein kleines Privatlaboratorium ein.
Ab dem Jahre 1890 arbeitete Ehrlich als Mitarbeiter Kochs am neuen Berliner Institut für Infektionskrankheiten (ab 1891) und erhielt die Leitung einer Beobachtungsstation am Krankenhaus Moabit, wo er bald erste Untersuchungsergebnisse zur Immunität vorlegen konnte. Im Experiment gelang es ihm 1890, zusammen mit von Behring, Tiere gegen Diphtherie zu immunisieren. Seine Studien über den Vorgang der Immunisierung führten 1905 zur Aufstellung der berühmten "Seitenkettentheorie", die zur Erklärung der Bildung und des Wirkens der Gegengifte im menschlichen Körper von grundlegender Bedeutung geworden ist. Ehrlich nahm an, dass Giftstoffe in die Zellen der Gewebe aufgenommen und durch das Serum abgefangen werden. Daraus leiteten sich seine 1904 begonnenen Forschungen zur experimentellen Chemotherapie ab. Zur Gewinnung größerer Mengen antitoxinhaltigen Serums gelang es von Behring und Ehrlich in seinem Privatlaboratorium, reines hochkonzentriertes Serum herzustellen, und bald eine fast kommerzielle Produktion aufzubauen. Ab Anfang 1893 wurde das Serum durch Johann Otto Leonhard Heubner (1843-1926) in der Kinderklinik der Charité an diphtherieerkrankten Kindern mit "ausgezeichneten Resultaten" angewandt. Behring ging als "Retter der Kinder" in die Medizingeschichte ein.
Im Jahre 1896 übernahm Paul Ehrlich die Direktion des neu eingerichteten Staatlichen Instituts für Serumforschung und Serumprüfung in Berlin-Steglitz. Diese kleine Forschungseinrichtung zog unter seiner Leitung 1898 nach Frankfurt/Main um, wo es sich 1899 als Institut für experimentelle Therapie etabliert und ab 1906 mit dem dortigen Georg-Speyer-Haus für Chemotherapie sehr günstige Möglichkeiten der Forschung boten. Zu den Förderern des Institutes gehörten neben dem preußische Ministerialdirektor Friedrich Althoff (1839-1908) auch Großindustrielle und Bankiers.
Paul Ehrlichs Schüler kamen aus der ganzen Welt. Oft besuchte er England und die USA. Außer dem Nobelpreis empfing er viele Auszeichnungen und wurde Mitglied in führenden wissenschaftlichen Gesellschaften. So wurde er unter anderen 1904 zum ordentlichen Honorarprofessor in Göttingen und 1914 zum Ordinarius an der neuen Frankfurter Universität berufen. Ehrlich starb mit 61 Jahren. Bei seiner Beerdigung bezeichnete der Pharmakologe Alexander Ellinger (1870-1923), ein Kollege und Freund, Ehrlich als "Fürst der Wissenschaft, der uns reich durch Ehren machte, reicher noch durch das, was er der Welt gegeben hat". Und von Behring führte aus: "Sie schufen eine Schule wie kaum einer vor Ihnen, und Sie wurden Magister mundi in der Wissenschaft der Medizin".