Frederick Sanger OM, CH, CBE
* 13. August 1918 in Rendcombe, Großbritannien
ist ein britischer Biochemiker.
Er gehört zu den wenigen Personen, die zweimal mit dem Nobelpreis geehrt wurden: 1958 erhielt Sanger den Nobelpreis für Chemie (als alleiniger Preisträger) für die Aufklärung der Struktur des Insulins und seine Arbeiten zur Protein-Sequenzierung. 1980 wurde er erneut mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet (zusammen mit Paul Berg und Walter Gilbert), dieses Mal für Untersuchungen zur Ermittlung der Basensequenz in Nukleinsäuren.
Methode zur Bestimmung der Aminosäuresequenz
Sangers Methode zur Bestimmung der Aminosäuresequenz entstand in seiner Zeit als Mitglied in Albert Chibnalls Forschungsgruppe in Cambridge. In den 1940er-Jahren erlebte die Proteinchemie eine Revolution durch die Entwicklung effizienter chromatographischer Trennungsmethoden für Proteine, Peptide und Aminosäuren. Sanger wollte nun die Reihenfolge der Aminosäuren in einem Protein (Aminosäuresequenz) bestimmen. Dazu zerlegte er die Proteinkette zunächst in kleine Peptidfragmente und isolierte diese dann mit Hilfe der neuen Methoden. Zur Markierung und späteren Identifizierung der endständigen Aminosäure setzte Sanger die Fragmentpeptide mit 1-Fluor-2,4-dinitrobenzol um. Die am N-Terminus derivatisierten Peptide wurden komplett in ihre Aminosäuren gespalten, deren relative Mengen anschließend quantitativ bestimmt wurden. Die Identität der endständigen Aminosäure konnte durch chromatographische Analyse des farbigen Dinitrophenyl (DNP)-Derivats bestimmt werden. In diesem Arbeitsgang erhielt man zwei Informationen: 1. die Identität der ersten Aminosäure in der Kette und 2. die Art der anderen Aminosäuren in der Kette (wenngleich auch nicht deren Position). Durch mehrfache Wiederholung des Verfahrens kann man schließlich Rückschlüsse auf die ursprüngliche Sequenz ziehen. In zwölfjähriger Arbeit gelang Sanger die komplette Sequenzbestimmung von Insulin. Erschwerend kam hinzu, dass Insulin ein Protein ist, das aus zwei Polypeptidketten besteht, die über Disulfidbrücken miteinander verbunden sind. Die Anordnung dieser Verbrückungen musste ebenfalls bestimmt werden. 1955 wurde die komplette Insulinsequenz veröffentlicht. Damit wurde erstmals bewiesen, dass Proteine eine eindeutige chemische Struktur besitzen. Jetzt konnten frühere Hypothesen endgültig verworfen werden, etwa die, dass Proteine zwar eine definierte Aminosäurezusammensetzung besitzen, jedoch mit zufälliger Sequenz, oder dass Proteine gar Aggregate kleinerer ähnlicher Einheiten sind. 1958 wurde Sanger für diese Arbeiten mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet. Sangers Sequenzierungsmethode wurde später durch den von dem schwedischen Biochemiker Pehr Edman entwickelten Phenylisothiocyanat-Abbau verdrängt. Der wesentliche Vorteil der Edman-Methode bestand darin, dass man Aminosäuren sukzessive vom N-Terminus her abbauen und identifizieren konnte. Das um eine Aminosäure verkürzte Restpeptid konnte anschließend einem erneuten Abbauzyklus unterzogen und so die Sequenz relativ schnell bestimmt werden.
Methode zur Sequenzierung von Nukleinsäuren
Sangers Methode zur Sequenzierung von Nukleinsäuren entstand in seiner Zeit als Leiter der Abteilung für Proteinchemie am Laboratory of Molecular Biology (LMB) in Cambridge. Sie entstand aus der Notwendigkeit, die Sequenz der Nukleinbasen zu bestimmen. Sanger entwickelte zum Erreichen dieses Ziels zunächst eine Methode zur Sequenzierung von Ribonukleinsäuren (RNA), die er dann auf Desoxyribonukleinsäure (DNA) anwandte. Diese Methode war jedoch sehr langsam und erlaubte nur die Bestimmung kurzer Sequenzabschnitte. In der Folgezeit entwickelte er eine neue Methode, die die Grundlage für die heutige DNA-Sequenzierungsmethode werden sollte, die sogenannte Didesoxymethode. Diese Technik nutzt folgende Eigenschaften der DNA: Die DNA ist ein doppelstrangiges Molekül, einer gewundenen Strickleiter nicht unähnlich. Die Sprossen der Leiter bilden Paare der Nukleinbasen (Adenin, Guanin, Thymin und Cytosin), von denen es nur zwei Kombinationen gibt: Adenin steht Thymin gegenüber, Cytosin ist mit Guanin gepaart.Trennt man die beiden Einzelstränge auf, so kann man mit Hilfe einer DNA-Polymerase den Komplementärstrang synthetisieren. Allerdings braucht man ein kleines komplementäres DNA-Stück (Primer), das man an den Einzelstrang bindet und von der Polymerase gemäß der Instruktion des Gegenstranges (Template-Strang) verlängert wird. Das synthetisierte DNA-Stück hat also einen definierten Anfangspunkt. Die Syntheseprodukte jedoch können unterschiedliche Längen haben, die Länge hängt davon ab, wie viele freie Nukleotide zur Synthese zur Verfügung stehen oder ob die Polymerase zufällig von dem Matrizenstrang abfällt. Prinzip der DNA-Sequenzierung nach der Didesoxy-Methode. dNTP ist die allgemeine Abkürzung für ein Nucleotid und kann für dATP, dCTP, dGTP oder dTTP stehen. ddNTPs sind die entsprechenden Didesoxy-Varianten der dNTPs. Der Einbau eines ddNTPs führt zum Abbruch der Polymerisationsreaktion. Die blauen Punkte am 5'-Ende des Primers stellt eine Markierung dar (z. B. eine fluoreszierende Gruppe), mittels der die Syntheseprodukte später im Gel sichtbar gemacht werden können. Alternativ lassen sich auch radioaktiv markierte Nucleotide zur Polymerisationsreaktion einsetzen. Sangers Trick besteht nun darin, die Polymerisationsreaktion in vier getrennten Ansätzen durchzuführen, und dafür zu sorgen, dass jeder Strang den gleichen Start hat (was durch den Primer gegeben ist) und dass die Verlängerungsreaktion – obwohl an unterschiedlichen Stellen – aber immer an einer bestimmten Basensorte enden soll. Um das zu gewährleisten, enthält jeder Reaktionsansatz neben den vier Nukleotid-Monomeren jeweils die Didesoxy-Variante einer Nukleotidsorte. Die Kettenverlängerung läuft solange, bis schließlich irgendwann ein Didesoxy-Nukleotid eingebaut wird. Damit fehlt die 3'-OH-Gruppe zur Ausbildung der Phosphodiesterbindung zum nächsten Kettenglied und die Synthese stoppt hier. Durch die Festlegung des Anfangspunktes spiegelt die Länge der Synthesefragmente in einem Reaktionsansatz die relative Position der jeweiligen Nucleinbasensorte im Molekül wider. Setzt man radioaktiv (oder andersartig markierte) Nucleotide zur Reaktion ein und trennt die vier Ansätze nebeneinander entsprechend ihrer Größe in einem Acrylamidgel auf, so kann man die Basensequenz direkt vom Gel ablesen.
1977 präsentierten Sanger und Mitarbeiter die komplette Sequenz des 5.386 Basenpaare großen Bakteriophagen φX174. Aus der Sequenz dieses Bakterienvirus konnte direkt die Aminosäuresequenz der zehn viralen Proteine abgelesen werden, da der genetische Code, der angibt welche Dreierabfolge von Nukleinbasen (Basentriplett) für welche Aminosäure in einem Protein kodiert, durch Pionierarbeiten in den 1960er-Jahren bekannt war. 1980 wurde Sanger für seine Beiträge zur Sequenzierung von Nukleinsäuren zum zweiten Mal mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.
Die Bedeutung von Sangers Arbeit für die Gentechnik und das Genom-Projekt
Anfang der 1970er-Jahre wurden Klonierungsmethoden entwickelt, mit denen man DNA-Stücke beliebigen Ursprungs in Bakterien vermehren kann, so dass genügend Material für die Sequenzierung zur Verfügung steht. Damit eröffnete sich die Möglichkeit, die gesamte genetische Information eines Organismus, das Genom, zu sequenzieren und damit indirekt auch die Sequenzen aller von diesem Organismus theoretisch synthetisierbaren Proteine abzuleiten. Zusammen mit Stanley Norman Cohen und Paul Berg, den Erfindern der rekombinanten Klonierungstechnik, kann Frederick Sanger daher als Vater der Gentechnik und des Genom-Projekts bezeichnet werden.